Andy Warhol war der jüngste von drei Söhnen einer armen Bauernfamilie mit
lemko-ruthenischen (in neuerer Terminologie und genauer: russinischen)
Wurzeln. Seine Eltern Ondrej Varhola (amerikanisiert zu Warhola) (1888–1942)
und Julia Justyna geborene Zavacka (1892–1972), waren Immigranten aus dem Dorf
Miková bei Medzilaborce (Karpaten), im Nordosten der heutigen Slowakei (damals:
Ungarn). Sein Geburtsname war Andrej Warhola, den er jedoch später
amerikanisierte. Er wurde griechisch-katholisch getauft.
Andy Warhol kokettierte gern mit seinem Geburtsdatum und „verjüngte“ sich
gelegentlich auf den Jahrgang 1930, manchmal sogar auf 1933, weshalb in
Biografien oft unterschiedlichste Angaben zu finden sind; er bekannte sich
jedoch zu seinem Geburtsort Pittsburgh in Pennsylvania. Dort wurde er in der 73
Orr Street geboren. 1934 verließ die Familie ihre Zweizimmerwohnung im
Armenviertel Soho und zog in ein eigenes einstöckiges Backsteinhaus in der 3252
Dawson Street in South Oakland bei Pittsburgh.
Im Alter von acht Jahren erkrankte Warhol an Veitstanz (Chorea minor), gepaart mit einer seltenen
Pigmentstörung, so dass man ihn lange für einen Albino hielt. Das bettlägerige
Kind entwickelte schnell eine Leidenschaft für Comics und Kinofilme, begann zu
zeichnen und Papierfiguren auszuschneiden. In dieser Zeit entstand eine
intensive Bindung Warhols zu seiner Mutter Julia.
Von 1945 bis 1949 studierte Warhol Gebrauchsgrafik am Carnegie Institute of Technology in
Pittsburgh, der heutigen Carnegie Mellon University, und machte seinen Abschluss
in Malerei und Design. Nach Abschluss des Studiums zog er mit seinem
Kommilitonen, dem Künstler Philip Pearlstein, nach New York, das damals nicht
nur ein literarisches Zentrum und eine Hochburg der Kunst war, sondern auch ein
Zentrum der Werbung.
Anfänge und Entwicklung des Siebdrucks (bis Ende der 1960er Jahre)
Anfang der 1950er Jahre lebte Warhol von Gelegenheitsarbeiten als Werbegrafiker und
Schaufensterdekorateur oder verkaufte Obst und Gemüse auf der Straße. Die Zeitschrift
„Mademoiselle“ veröffentlichte im Februar 1950 Zeichnungen von ihm, die mit „Andy Warhol“
signiert waren: Aus Andrew Warhola war Andy Warhol geworden In dieser Zeit entwickelte er seine
Technik des drop and dripping, eine Methode, die seine späteren Siebdrucke
vorwegnahm: Mit Tinte und Tusche gezeichnete Motive von Engeln, Putten,
Schmetterlingen oder Katzen wurden mit einem Blatt Löschpapier kopiert und auf
ein neues Blatt übertragen. So entstanden in Zusammenarbeit mit der Designerin
Suzie Frankfurt vielfältige Beiträge für Zeitschriften, Magazine, Grußkarten und
Werbegeschenke sowie humorvolle Kochbücher („Wild Raspberries“, 1959). Auf
sogenannten „Colouring Partys“ lud er Freunde und Gäste ein, die dazu beitrugen,
seine Arbeiten farbig auszumalen (was bereits auf die spätere serielle
„fabrikartige“ Produktionsweise seiner Werke und Filme durch Mitarbeiter
hindeutete).
1952 hatte er mit „Fifteen Drawings Based on the
Writings of Truman Capote“ (16. Juni bis 3. Juli, Hugo-Galerie, New York) seine
erste wichtige Einzelausstellung und 1956 stellte er im Museum of Modern Art in
New York aus, beide Male jedoch als Grafiker, nicht als bildender
Künstler.
Die Gemälde
Obwohl Warhol als Industrie- und
Werbegrafiker überaus erfolgreich war – Ende der 1950er Jahre zählte er zu den
bestbezahlten Grafikdesignern in Manhattan – wählte er dennoch bald den
künstlerischen Weg und suchte neue Ideen für seine Bilder auf Leinwand. Warhol
konzentrierte sich hierbei auf triviale Sujets der Popkultur; Hollywoodstars,
Comic- und Cartoon-Motive, wie Micky Maus, Popeye oder Superman, die er anfangs
noch per Hand anfertigte und vervielfältigte. Mit diesen der Werbeszene
entnommenen Abbildungen distanzierte er sich bewusst vom Abstrakten
Expressionismus eines Mark Rothko oder Barnett Newman oder den Action Paintings
eines Jackson Pollock. Resigniert musste er allerdings bald feststellen, dass
Künstlerkollegen wie Roy Lichtenstein oder Robert Rauschenberg das Terrain
bereits mit ähnlichen Motiven abgrasten. Eine Verbindung zu seinem früheren
Leben stellte er dadurch her, dass er eine Schaufensterkollektion aus den noch
von Hand gemalten „abgelegten“ Werken für das Kaufhaus Bonwit Teller in der New
Yorker 5th Avenue konzipierte und sich auf eine neue Technik verlegte.
Anfang der 1960er Jahre machte er sich mit dem Siebdruck
vertraut und begann intensiv Bilder aus Flugblättern, Kinoheften, Zeitschriften
wie Life oder dem Time-Magazine auszuschneiden und zu sammeln, um sie für seine
Bilder zu verwenden. Kennzeichnend für die folgende Periode seines Schaffens ist
die Verwendung von weit verbreiteten, jedem Amerikaner vertrauten Motiven (meist
aus der kommerziellen Werbung und Pressefotos), von denen er Siebvorlagen
herstellen ließ und die er dann seriell wiederholte (Zitat: „I love to do the
same thing over and over again“ – „Ich liebe es, das Gleiche immer und immer
wieder zu tun“). Ein typischer Werktitel jener Zeit lautet „30 are better than
one“: Eine Postkarte der Mona Lisa wurde dreißig mal auf der Leinwand
vervielfältigt und war daher besser als nur eine – das Original zählt weniger
als die quantitative Vervielfältigung (Multiple).
1962 hatte Warhol mit Campbell’s Soup Cans seine erste Einzelausstellung als
Künstler in Walter Hopps’ Ferus Gallery in Los Angeles (9. Juli bis 4. August
1962).[7] Er fertigte 32 fast identische Bilder, weil es die Suppenkonserve in
32 verschiedenen Geschmacksrichtungen gab.
Man begegnete diesen
Bildern zunächst mit totalem Unverständnis, nur fünf Käufer erkannten die
revolutionäre Neuerung von Warhols Sichtweise; einer von ihnen war der
Schauspieler Dennis Hopper, der andere Donald Factor, ein späterer Teilerbe des
Max-Factor-Konzerns. Keiner der Käufer erhielt sein Bild, für das jeder 100
Dollar bezahlt hatte, weil ein Teilhaber der Galerie unter dem Vorwand, das
Ensemble zusammen zu lassen, nach der Ausstellung die Bilder für sich behielt.
Warhol erhielt 1.000 Dollar für die 32 Bilder. 1996 wurden sie für 15 Millionen
Dollar an das Museum of Modern Art in New York City
veräußert.
Eines der bekanntesten Werke aus dieser Zeit dürfte wohl
die Abbildung eines Kinostandbildes aus dem Film Niagara mit Marilyn Monroe
sein, das Warhol über Jahre hinweg in vielen Farbvariationen verarbeitete.
Unzählige „Elvise“, „James Deans“ und „Liz Taylors“ sollten folgen. All diese
Bilder zeigen jedoch eines deutlich: Sie stellen ganz bewusst gewählte und
weiterbearbeitete Ausschnitte der Vorlagen dar. Warhols oft zitiertes Bonmot,
nachdem er gar nicht mehr male und auch seine Vorlagen schon alle da seien, er
selbst also gar keine Kunst mehr produziere, sondern diese sich selbst, der
Künstler im traditionellen Verständnis also nicht mehr existiere, muss unter
diesem Aspekt bewertet werden. Es ist die Auswahl, die Gestaltung, und das ihr
zugrunde liegende Konzept, das die Arbeit entscheidend prägt. Warhols in den
Jahren als Werbegrafiker erworbenes untrügliches Gespür für die Effekte, die
durch eine entsprechende Gestaltung und Farbgebung hervorgerufen werden, bilden
die konsequent weiterentwickelte biographische und ästhetische Grundlage. Zu
Warhols in Interviews immer wiederkehrender Verschleierungstaktik gehört
dementsprechend auch die Behauptung, diese Arbeiten seien teilweise nur auf
seine Anweisung von seinem jungen Mitarbeiter, dem gelernten Siebdrucker und
Poeten Gerard Malanga angefertigt worden (ähnliches hatte zuvor z. B. schon
Salvador Dalí von seiner Arbeitsweise behauptet).
Warhol verwendete
alles aus der Populärkultur, was er irgendwie als „glamourös“ empfand oder so
uminterpretierte – und wenn es, wie in seiner berühmten allerersten Serie, eine
Suppendose von Campbell’s war. Er schreckte auch vor Geschmacklosigkeiten (die
„Desaster“-Serie mit riesengroß aufgeblasenen Pressefotos von Autounfällen und
Selbstmördern) nicht zurück und nutzte das öffentliche Interesse an Personen wie
der trauernden Jackie Kennedy nach der Ermordung ihres Mannes John F. Kennedy
schamlos für seine auf Effekt bedachten Bilder aus. Auch die Kunstkritik
erkannte bald, dass diese Bilder einen ungeheuren ästhetischen Reiz hatten:
Durch ihre Serialität lenkten sie die Aufmerksamkeit weg vom Motiv hin zur
Machart der Vorlagen und ließen dadurch den manipulativen Charakter der
Populärkultur unserer Zeit erkennbar werden – wir alle sind durch die
Massenmedien in unserer Wahrnehmung gelenkt. Zudem hatten die Bilder ihren
optischen Reiz, indem sie durch grelle Farbgebung und bewusst schlampigen
Farbauftrag die Originalvorlagen so veränderten, dass eine quasi „filmische“
Betrachtung möglich wurde. Warhols Bilder wurden spätestens seit 1965 als
Sensation auf dem Kunstmarkt gefeiert.
In seinen 1962 gegründeten „Factory“ genannten Ateliers, verschiedenen in New
York gelegenen Fabrikhallen, arbeitete er an unterschiedlichsten Projekten. Die
Factorys waren quasi Warhols Experimentierfeld: Atelier, Filmstudio und
„Partylocation“ mit anschließendem „Wohnort“ für die Protagonisten zugleich
bildeten sie den Pool der kreativen Szene New Yorks. Stars wie Bob Dylan, Mick
Jagger oder Jim Morrison fanden sich hier ein und Künstlerkollegen wie Salvador
Dalí oder Marcel Duchamp.
Warhol spezialisierte sich anfangs auf
den Siebdruck. Ausgangsmaterial hierfür waren meistens Bilder aus den Medien,
wie beispielsweise das Magazin Life oder Film-, Post- und Autogrammkarten.
Später verwendete er bevorzugt eigene Polaroidaufnahmen für seine Arbeiten.
Viele von Warhols Bildern wurden aber nicht nur von ihm selbst, sondern auch von
seinen Assistenten wie z. B. Gerard Malanga ausgeführt. Berühmt sind die
dreidimensionalen Brillo-Boxen (Siebdrucke eines Putzmittels auf Holzkisten),
die Campbell-Suppendosen, unzählige Marilyn-Monroe-Porträts (teilweise negativ
angefertigt) oder die in der Tradition eines Memento Mori angefertigten Serien
von Autounfällen, Schädeln oder elektrischen Stühlen. Bevorzugt wählte er 100
mal 100 Zentimeter große Leinwände für seine Werke. Indes wandte sich der
besessene Kinofan Warhol auf seiner Suche nach neuem Material zunehmend der
eigenen Filmproduktion zu. Wohl inspiriert durch Filmemacher der Film-makers’
Cooperative wie Jonas Mekas erstand er eine billige Bolex-16-mm-Kamera und
begann Mitarbeiter seiner Factory, Prominente und Unbekannte in allen
erdenklichen Situationen zu filmen. Bekannt aus der Zeit der 1960er Jahre sind
Undergroundfilme wie beispielsweise Empire, ein acht Stunden langes Porträt des
Empire State Buildings in einer einzigen Kameraeinstellung oder Eat, ein 45
Minuten langer Film, der den Pop-Art-Künstler Robert Indiana beim Pilzessen
zeigt, und zahllose sogenannte Screen Tests (zusammen mit Malanga). Mit der von
ihm geförderten und anfangs auch produzierten Rockgruppe The Velvet Underground
konzipierte er die für damalige Zeiten prätentiösen bis skandalösen
Multimedia-Happenings („Exploding Plastic Inevitable“). Das Publikum wurde dabei
einerseits durch den ohrenbetäubenden Verstärkerlärm der Rockgruppe,
Filmprojektionen und intensive Licht- und Stroboskopeffekte „aufgerieben“.
Andererseits schockierten die Performances durch die sexuellen Provokationen der
tanzenden Akteure (zumeist Gerard Malanga und die Schauspielerinnen Mary Woronov
und Edie Sedgwick).
Nach dem Attentat durch die Frauenrechtlerin
Valerie Solanas 1968 ließ es der Künstler ruhiger angehen: Die „Factory“
wandelte sich zum Bürohaus, er selbst sah sich zunehmend als
Filmproduzent.
In den 1970er Jahren war er begeisterter Besucher
der New Yorker Party- und Glamour-Szene z. B. das Studio 54, wo er zunehmend
Prominente auf Polaroidaufnahmen portraitierte. Bekannt aus dieser Zeit sind
seine Filme mit Junkies, die an Pornografie grenzen (Flesh, Trash, Blue Movie),
deren Regie er allerdings zunehmend Paul Morrissey
überließ.
Camp-Filme wie die Western-Persiflage Lonesome Cowboys
oder die Horrorfilme Flesh for Frankenstein/Andy Warhols Frankenstein und Blood
for Dracula/Andy Warhols Dracula entstanden weitgehend unter der Regie von Paul
Morrissey, der Schauspieler Joe Dallesandro gehörte dabei fast immer zur
Besetzung. Sie überzeichneten und überschritten die jeweiligen Genres, im Fall
von Lonesome Cowboys z. B. durch improvisiertes Spiel und homosexuelle Cowboys,
im Fall von Blood for Dracula durch Udo Kier als schwächlichem Graf Dracula, der
auf der Suche nach einer Jungfrau eher Mitleid erregte als Angst
einflößte.
Das weltbekannte Zungenlogo, das Markenzeichen der
Rolling Stones wurde entgegen vielen landläufigen Meinungen nicht von Andy
Warhol, sondern vom Designer John Pasche gestaltet. Warhol hat das Plattencover
der LP Sticky Fingers mit Aufnahmen von Joe Dallesandros Unterkörper entworfen.
Auf einem Beilegeblatt zu dieser Platte wurde das Zungenlogo erstmals
veröffentlicht.
Die Filme
Zu diesem Zeitpunkt konzentrierte sich
Andy Warhol bereits auf seine zweite Leidenschaft: Den Film. Seit er Ende 1963
in sein zweites Atelier, die Factory, umgezogen war, bildete dieses riesige
Studio mitten in Manhattan einen Anziehungspunkt für die New Yorker Bohème.
Tänzer, Transvestiten, Möchtegern-Schauspieler, Maler, Musiker, alles
versammelte sich hier nach und nach, Warhol ließ alles zu und jeden seine
Leidenschaften ausleben. Und er dokumentierte all dies mit einer Filmkamera
(später auch mit Polaroids). Mittels einer billigen Bolex-Schmalfilmkamera
begann er, systematisch Aufnahmen von Besuchern, Künstlerfreunden und anderen
Prominenten (z. B. Mick Jagger, Bob Dylan, Marcel Duchamp und Salvador Dalí) zu
machen. Jeder war als Motiv für die Screen Tests („Probeaufnahmen“) willkommen.
Es gibt Hunderte dieser Filme (die bis heute nur zum Teil öffentlich gezeigt
wurden), die im Prinzip alle gleich hergestellt wurden: Man musste sich auf
einen Stuhl setzen, wurde von einer grellen Lampe angestrahlt, Warhol schaltete
die Kamera ein und ging weg. Man war drei Minuten, bis die Filmrolle
durchgelaufen war, mit sich selbst und dem Objektiv vor dem Gesicht allein. Die
Ergebnisse sind faszinierend, manche Personen versuchen „cool“ zu bleiben,
andere werden sehr nervös und zünden sich eine Zigarette an, wieder andere
bekommen einen Heulkrampf. Die raffinierte Beleuchtungstechnik mit den harten
Schlagschatten macht diese Aufnahmen zur großartigen, meditativen Dokumentation
der ausgehenden Moderne.
Zusammen mit dem Team der Factory, vor allem seinem Assistenten Gerard
Malanga und dem Fotografen Billy Name, drehte Warhol auch eine Vielzahl von
Spielfilmen in Massenproduktion. Angeregt von Vorführungen in der Film-Makers’
Cinematheque, dem Forum für Underground-Filme in New York unter der Federführung
von Jonas Mekas, entwickelte Warhol dabei seine ganz eigene Filmsprache. Typisch
für die frühen Filme ist die unbewegte Kamera, die ein einziges Objekt oder eine
einzige Handlung gnadenlos ohne jeden Schnitt über Stunden hinweg festhält.
„Sleep“, der erste Film, dokumentiert den Beat-Poeten John Giorno über vier
Stunden beim Schlafen, „Eat“ den Malerkollegen Robert Indiana beim genüsslichen
Knabbern eines Pilzes. Den Höhepunkt dieser Reihe stellt sicherlich „Empire“
dar, der das Empire State Building von einbrechender Dunkelheit bis tief in die
Nacht zeigt – acht Stunden lang.
Es gab aber auch viele Filme, die
etwas mehr Handlung hatten. In der Factory tummelten sich genügend
Selbstdarsteller, die nur darauf warteten, gefilmt zu werden und sich vor
laufender Kamera bloßzustellen. Mario Montez, ein puerto-ricanischer
Transvestit, gab als „Harlot“ und „Hedy“ (Hedy Lamarr) eine Vorstellung, „Blow
Job“ zeigte den Kopf und Oberkörper eines jungen Mannes, der sichtlich (aber
nicht sichtbar) die Vergnügungen der Fellatio genoss. „Couch“, der bekannteste
Film dieser Reihe, zeigt ein buntes Ringelreihen meist splitternackter
männlicher (und einiger weniger weiblicher) Darsteller in den
unterschiedlichsten Paarungen. Deutlich wird hier zum einen der Focus auf die
Welt der Homosexualität in ihren Spielarten, zum anderen der Voyeurismus
Warhols, der seine eigene Homosexualität nie offen auslebte. Die zweite Phase
von Warhols Filmschaffen ist geprägt durch die Zusammenarbeit mit dem
Drehbuchautor Ronald Tavel, der, geprägt vom Theater des Absurden, die
Handlungsabläufe und Dialoge mit einer gehörigen Portion Komik und Camp-Ästhetik
würzte.
In ironischer Übertreibung und als Underground-Alternative
zu den bekannten Hollywood-Darstellern, den „Stars“ nannte Warhol seine
Schauspieler Superstars. Hiermit wurden in erster Linie die Frauen in seinen
Filmen bezeichnet. Sein erster wirklicher „Superstar“ war das junge
Nachwuchstalent und Modell Edie Sedgwick, ein steinreiches Mädchen aus bester
Familie auf Abwegen. Mit ihr zeigte er sich, teilweise in gleicher Aufmachung
(silbern gefärbte Haare) in der Öffentlichkeit, vor allem auf Partys, von denen
er mit seiner ganzen Truppe bis zu sechs pro Nacht abhakte. Die Affäre Sedgwick
dauerte nur ein Jahr, dann nahmen die Probleme Edies, die ständig Drogen nahm,
überhand, und sie verlor die Kontrolle über sich; in ihrer Phantasie wollte Bob
Dylan sie heiraten, sie schloss sich ihm an und entfernte sich von Warhol. Mit
Sicherheit der bekannteste, vielleicht auch beste Film Warhols aus dieser Zeit
ist The Chelsea Girls von 1966, der – teilweise schwarz/weiß, teilweise in Farbe
– verschiedene Protagonisten der Factory als Bewohner des legendären Chelsea
Hotels in Chelsea (Manhattan) zeigt. Gnadenlos werden Drogenexzesse, Psychosen,
Exhibitionismus und sexuelle Eskapaden vorgeführt. Der Film war zu seiner Zeit,
in der man auf dem Höhepunkt der Hippie-Euphorie schwebte, ein tiefschwarzes,
verstörendes Dokument der urbanen Gegenkultur New Yorks, in ihm standen Heroin
und Speed gegen Hasch und LSD.
Gegen Ende der 1960er Jahre fand all dies ein jähes Ende: Die geistig
verwirrte Frauenrechtlerin Valerie Solanas (sie hatte in einem Film Warhols eine
winzige Nebenrolle gespielt) verübte ein Attentat auf Warhol, der zu dieser Zeit
seinen Film „Blue Movie“ (Superstar „Viva“ beim stundenlangen Geschlechtsverkehr
mit Louis Waldon) drehte. Der Maler musste ins Krankenhaus, und in den folgenden
Jahren überließ er die Regie seinem Mitarbeiter Paul Morrissey. Dieser drehte
ganz andere, kommerziell ausgerichtete Spielfilme, für die Warhol nur noch den
Namen hergab. Diese wurden im Gegensatz zu den frühen Experimentalfilmen US- und
europaweit gezeigt. Für diese ist Warhol heute berühmt.
Nach neuesten Schätzungen des Whitney Museum of American Art, das den Filmnachlass
aufbewahrt, hat Warhol im Lauf seines Lebens mehr als 400 Screen-Tests, knapp
280 Filme und über 4.000 Videos gedreht.
Weitere Kunstprojekte
Auch jenseits von Malerei und Film erforschte Warhol neue
Territorien. Er erkannte sehr früh die Tendenzen der zeitgenössischen Kunst und
modelte sie zu seiner eigenen Sache um. So protegierte er die Rockgruppe The
Velvet Underground, indem er sie in der Factory proben ließ (aus all den
früheren Übungsräumen, Lokalen und Wohnungen waren Lou Reed, John Cale, Sterling
Morrison und Maureen Tucker geflogen, weil sie brutal laut waren), und er
finanzierte als „Produzent“ ihre erste Schallplatte. Dazu holte er das deutsche
Fotomodell Nico ins Studio.
Die Live-Auftritte der Band sind
legendär, Warhol als Mastermind verwendete für die Lightshow erstmals viele
neuartige Mittel, die heute alltäglich sind: Stroboskop und Spiegelkugel, Dia-
und Filmprojektionen, Farbfilter und Überlagerungen. Die Band trat grundsätzlich
nur in schwarzer Kleidung und mit Sonnenbrillen auf. Gestaltet waren die
Exploding Plastic Inevitable genannten Auftritte als Aufsehen erregende
Multimedia-Happenings, zu denen Malanga, Eric Emerson und Mary Woronov ihren
„Peitschentanz“ aufführten. Wie in seinen Filmen dokumentierte Warhol auch mit
seiner Band die „dunkle Seite“ der zeitgenössischen Rockmusik.
Als Fotograf arbeitete Warhol unermüdlich. Alles und jeder wurde porträtiert. Mit
seinen Polaroid-Sofortbildkameras hielt er das Geschehen um ihn herum fest, in
seinem Nachlass gibt es Zehntausende Fotos, die nie der Öffentlichkeit gezeigt
wurden.
Warhol versuchte sich auch als Buchautor. Da er nicht nur
viel fotografierte, filmte und malte, sondern ebenfalls Tonbandaufnahmen machte,
kam ihm die Idee, eine Person aus seiner Umgebung 24 Stunden lang (wohl in
Anspielung auf den Ulysses von James Joyce) mit dem Mikrofon zu verfolgen und
alles, was er sagte, festzuhalten. Diese Person fand er in „Ondine“ (Robert
Olivo), einem notorischen Speedfreak, der pausenlos quasselte, wenn er wieder
Drogen genommen hatte – was bei ihm der Dauerzustand war. Die Aufnahmen, in
Wahrheit nicht am Stück, sondern über mehrere Monate gemacht, stellen ein
unlesbares Dokument des Aberwitzes dar. Stundenlange Monologe, abwechselnd mit
aggressiven Unterhaltungen, zu denen auch Edie Sedgwick, Lou Reed und andere
beitrugen, sind völlig dilettantisch von zufällig in der Factory anwesenden
Besuchern abgetippt worden. Das Buch strotzt nur so vor Fehlern, aber das ist
genau das, was Warhol wollte. Als der Verlagslektor dagegen Einspruch erhob,
deklarierte Warhol das Buch zum Kunstwerk und damit alle Fehler,
Ungereimtheiten, Lücken und durcheinander geratenen Passagen. Der Titel des
Buchs ist Programm: A: A Novel (A: Ein Roman), wobei „A“ für Amphetamin steht,
dessen Wirkungen es dokumentiert.
Kaum bekannt ist, dass er sogar
ein Theaterstück „geschrieben“ hat. 1971 wurde das Stück Pork in New York und
London aufgeführt (Regie: Anthony J. Ingrassia), das auf Tonbandmitschnitten von
Telefongesprächen zwischen Warhol und Brigid Berlin basierte. Das Stück, welches
angeblich zuerst 29 Akte und 200 Stunden lang war, sorgte überall für Verwirrung
und Ärger, denn es schien eine Abrechnung mit den eigenen Superstars unter der
Gürtellinie zu sein. Der Titel Pork, „Schwein“, ist eine Verballhornung des
Alias-Namens Brigid Polk, Billy Name wurde zu Billy Noname, „Viva“ zu Vulva, die
Handlungen der meist nackten Darsteller waren obszön. Trotzdem lief es im
Londoner The Roundhouse über ein Jahr lang.[8]
Nach einem Attentat durch die radikale Frauenrechtlerin Valerie
Solanas am 3. Juni 1968, bei dem Warhol durch mehrere Schusswunden
lebensgefährlich verletzt wurde und längere Zeit im Krankenhaus verbringen
musste, änderte sich sowohl sein offener Umgang mit den Factorymitarbeitern und
-besuchern als auch das Werk des Künstlers: Er konzentrierte sich wieder
verstärkt auf seine Bilder und Siebdrucke und vermarktete später sogar die beim
Solanas-Attentat zerschossenen Arbeiten („Elvis Lives“, „Shot Marilyn“). Die
Geschichte um das Attentat von Solanas wurde 1996 unter dem Titel I Shot Andy
Warhol verfilmt.
Warhols neues Atelier am Union Square wurde seit dem Attentat von Kameras
überwacht; das Geschäftliche überließ er zunehmend seinen Angestellten. So
setzte er alsbald den jungen Aufsteiger Frederick Hughes in den Führungsstab
seiner Kunstmaschinerie, während sich Morrissey weiterhin um die Filmproduktion
kümmerte. Narzisstisch wie Warhol war, ließ er seine Schussverletzungen von dem
amerikanischen Starfotografen Richard Avedon ablichten. Die Factory verwandelte
sich letztlich von der angesagten „Szenelocation“ in eine normale Büroetage. Die
Mitarbeiter der ersten Stunden, Gerard Malanga und Billy Name verschwanden nach
Unstimmigkeiten aus der Factory. Hughes stammte aus gutem Hause und hatte
hervorragende Verbindungen zu texanischen Ölindustriellen und Kunstsammlern, wie
beispielsweise Dominique de Ménil. Diese versorgten Warhol in den folgenden
Jahren immer wieder mit Porträtaufträgen und trieben die Preise für seine Bilder
in die Höhe.
Nachdem durch das Attentat sein eigenes „Partyrefugium“ zerstört
worden war, stürzte sich Warhol selbst in den frühen 1970ern zunehmend in die
kommerzielle Party-Szene und zählte bald zu den Stammgästen des Studio 54, einer
der damals meist frequentierten Diskotheken New Yorks. Dort traf sich die High
Society im Kellerraum und schnupfte Kokain, das damals noch extrem teuer war.
Die Kunstkritik hat Warhol immer wieder vorgeworfen, sich in dieser Zeit
„ausverkauft“ zu haben. Der (unpolitische) Kontakt zu durchaus dubiosen Figuren
aus der Umgebung des Schah von Persien oder des philippinischen Diktators Marcos
war sicher nicht förderlich für ein gutes Image. 1972 starb seine geliebte
Mutter Julia; ein erneuter Anlass für den Künstler, sich in einer
Siebdruck-Serie mit dem Thema Tod auseinanderzusetzen (die Vanitas-Serien
„Skulls“, „Shadows“ etc.). Privat zog sich der Künstler immer mehr zurück in
sein New Yorker Stadthaus, wo er über zehn Jahre lang mit seinem Lebensgefährten
Jed Johnson lebte.
Mit den fortschreitenden
1970er Jahren begann Warhol (in seinem Sinne) aus Kunst schließlich Kommerz zu
produzieren: Er porträtierte wie am Fließband jeden, der ihm das entsprechende
Honorar bezahlte. Er bemalte Fahrzeuge von Autofirmen wie BMW oder Mercedes Benz
und war stets gern gesehener Gast in Video- und Fernsehproduktionen. Seine
(meist prominenten und zahlungskräftigen) Kunden lichtete er in seinen Sessions
(Sitzungen) mit der Polaroidkamera ab, die er anschließend zur Belichtung der
Druckschablonen für seine Siebdrucke gab. Zunehmend konzentrierte er sich
überdies auf die Kolportage, machte unendliche Tonbandaufnahmen und lichtete
hemmungs- und wahllos Stars und Sternchen der New Yorker Szene für seine im
November 1969 gegründete Zeitschrift Interview ab. Gern und schonungslos
kompromittierten er und seine Mitarbeiter ihre oft alkoholisierten oder
drogenberauschten Interviewpartner mit den Artikeln und Fotografien ihrer
Zeitschrift.
Das alles ist signifikant für die Entwicklung der
postmodernen Ästhetik, und auch hier muss Warhol die Rolle eines Vorreiters
zuerkannt werden: Die scheinbare Wahllosigkeit reflektiert den überbordenden,
stets sich weiter differenzierenden und immer unüberschaubareren
Kommunikationsfluss der Informationsgesellschaft. Warhol probierte stets das
Neue und Neueste aus, weil es sich ihm anbot. Seine Großartigkeit als Künstler
besteht ganz klar darin, dass er sofort die Möglichkeiten neuer ästhetischer
Ausdrucksweisen erkannte (er war beispielsweise ein Pionier des Videofilms, auch
hier gibt es Hunderte von Stunden bis heute völlig unbekanntes Material), und er
ästhetisierte seine neu gefundene gesellschaftliche Rolle als Anlaufstelle für
Klatsch und Tratsch, indem er mit Interview das erste Lifestyle-Magazin
überhaupt gründete. Als Porträtmaler hat er eine geschlossene Serie geschaffen,
das kunsthistorisch in der Tradition eines Velazquez und der höfischen Malerei
steht. Dass er sich all dessen völlig bewusst war, dokumentieren die erst in den
letzten Jahren bekannt gewordenen „Time Capsules“ (Zeitkapseln), die er seit den
frühen 1970er Jahren anlegte. Insgesamt etwa 600 Umzugskartons hat Warhol bis zu
seinem Tod mit allem gefüllt, was ihm wichtig oder weniger wichtig war. Daraus
sind phantastische Zeitdokumente entstanden, deren besonderer Reiz sich erst
jetzt und in den nächsten Jahrzehnten enthüllen wird.
Im Mai 1979
traf Warhol, der seine neuen Bildern in der Galerie Hans Mayer in Düsseldorf
zeigte, zum ersten Mal auf den deutschen Bildhauer Joseph Beuys. Beide
Künstler sahen sich 1980 erneut. Anlass war die Ausstellung Joseph Beuys by Andy
Warhol, die am 1. April 1980 in der Galerie Lucio Amelio in Neapel stattfand,
und auf der neun Siebdruckporträts mit dem Titel Joseph Beuys, die Warhol von
Beuys im Anschluss an ein Treffen in New York nach Polaroidaufnahmen hergestellt
hatte, gezeigt wurden.
In den 1980er Jahren arbeitete Warhol mit
befreundeten Künstlern, wie Keith Haring, Jean-Michel Basquiat oder Francesco
Clemente zusammen. In dieser Phase entstanden einige gemeinsame Gemälde; jeder
Künstler arbeitete hierbei in seiner eigenen Technik und kombinierte sie auf
einer Leinwand. 1984 war er auf der Gruppenausstellung Von hier aus – Zwei
Monate neue deutsche Kunst in Düsseldorf vertreten.
Seine letzte
großformatige Arbeit sollte die Auseinandersetzung mit Leonardo da Vincis
Abendmahl werden. Ein riesiger Gemäldezyklus ist daraus entstanden, über 100
meist traditionell mit dem Pinsel gemalte Bilder, teilweise über 4 × 10 Meter
groß. Der Schalk saß Warhol bis zuletzt im Nacken: Es handelt sich bei den „Last
Suppers“ nicht um eine Beschäftigung mit dem Original, sondern um die
Weiterbearbeitung einer kitschigen Gipsplastik, die er in einem Ramschladen in
Little Italy fand.
Tod
Warhols Grabstein auf dem Friedhof St. John the Baptist Byzantine
Catholic Cemetery
Am Morgen des 22. Februar 1987 verstarb Warhol
überraschend und unter bis heute ungeklärten Umständen an den Komplikationen
einer Gallenblasenoperation im New York Hospital. Er wurde im engsten
Familienkreis in seinem Geburtsort Pittsburgh beigesetzt. Mit einer Messe in der
St. Patrick’s Cathedral wurde des Künstlers unter Teilnahme von über 2000
Trauergästen gedacht.
Testamentarisch wurde Fred Hughes als
Nachlassverwalter bestimmt. Als Haupterben seines Vermögens (das New York
Magazine schätzte es damals auf über 100 Millionen US-Dollar) hatte der
Künstler, neben Familienmitgliedern, die Gründung der Stiftung Andy Warhol
Foundation for Visual Arts bestimmt. Abgesehen von der Versteigerung der
Devotionalien brachten allein die Werke aus Warhols Privatsammlung seiner
Künstlerkollegen wie Cy Twombly oder Rauschenberg mehrere Millionen
Dollar.
Betrachtungen zur Person
Andy Warhol war eine introvertierte, scheue und undurchsichtige Persönlichkeit. Er
lebte seine Homosexualität nicht öffentlich, obwohl er sie, darauf angesprochen,
nicht abstritt. Indem er zeitlebens die (männliche) Homosexualität zu einem der
zentralen Fixpunkte seines Schaffens erhob, förderte er die Auseinandersetzung
mit dem Thema.
Er zeigte sich in den 1960ern zumeist mit weißblond, teilweise
silbern gefärbter Perücke und dunkler Sonnenbrille. Warhol gab nur wenig von
sich preis, war wortkarg und stilisierte sich selbst zur Sphinx und Ikone der
New Yorker Kunstszene. Der Schriftsteller Truman Capote nannte ihn eine „Sphinx
ohne Geheimnis“. In Interviews und Gesprächen entzog er sich geschickt den
Erwartungen zu seiner Person und übte sich konsequent darin, den Mythos „Andy
Warhol“ aufzubauen. Einmal sandte er sogar einen Doppelgänger (Allen Midgette)
zu öffentlichen Vorträgen an Universitäten und Presseterminen. Er hatte eine
sehr enge Bindung zu seiner Mutter, die bei ihm in New York lebte. Er war
religiös, aber auch dies auf seine ganz eigene Weise. Nach seinem Tod wurde
bekannt, dass er intensiveren Kontakt zur Pfarrkirche St. Vincent Ferrer an der
Upper Eastside hatte und sich in späteren Jahren an Armenspeisungen zu
Weihnachten beteiligte.
Nach dem Attentat von 1968 war Warhol ein
anderer Mensch: Er neigte seitdem zu einer zwanghaften Kauf- und Sammelwut, die
sich sowohl in seiner Arbeit wie in seinem Privatleben widerspiegelte. Obwohl
der Künstler lebenslang unter der Angst litt, wieder zu verarmen, gab es kaum
einen Flohmarkt in New York, der von ihm verschont wurde und auf dem er nicht
wenigstens einen Gegenstand kaufen „musste“, wie er es einmal in seinen
Aufzeichnungen schilderte. Er entdeckte als einer der ersten die Qualitäten des
Art Déco wieder und kaufte Uhren, Broschen und Möbel aus jener Zeit. Warhols
geräumiges Privathaus war eine einzige Ansammlung von historischen Kunstwerken
und Arbeiten zeitgenössischer Künstlerkollegen wie Lichtenstein, Rauschenberg
und Twombly, sowie wertvoller Möbeln, Unmengen an Kitschobjekten (z. B. Mickey
Mouse-Figuren), edlem und billigstem Porzellan, Fundsachen, Kaugummiautomaten
und vielem anderen mehr. Die Versteigerung seines Nachlasses soll,
Presseartikeln zufolge, um die 900 Millionen US-Dollar erzielt
haben.
In seinen 1989 postum von seiner
Sekretärin und engen Vertrauten Pat Hackett veröffentlichten
Tagebuchaufzeichnungen erfährt man mehr über den Menschen Andy Warhol und seine
wahre Persönlichkeit. Interpretiert man das Buch, muss Warhol in den ausgehenden
1980ern zunehmend unter Ängsten vor Krankheiten wie AIDS, das von ihm selbst als
„Schwulenkrebs“ bezeichnet wurde, den Folgen des Attentats und zunehmender
Vereinsamung, bedingt durch seine gescheiterten homosexuellen Beziehungen,
gelitten haben. Warhol wurde auch abergläubisch, steigerte sich in seine
Hypochondrie und fiel auf einige Quacksalber, Wunderheiler und
„Steintherapeuten“ herein.[12] Hervorstechend an Warhol war jedoch sein
zeitlebens ebenso lakonischer wie zynischer Umgang mit dem Tod: Als seine erste
„Muse“ Edie Sedgwick und weitere Mitarbeiter seiner Factory starben, zeigte er
kaum eine Gefühlsregung. Er selbst klagte bis zum Schluss über seine zunehmenden
körperlichen Beschwerden, dies aber nie öffentlich. Das widersprach dem Image,
das er der Außenwelt hinterlassen wollte: „Ich wollte immer eine Maschine
sein“.
„Wer alles über Andy Warhol wissen will, braucht nur die Oberfläche
anzusehen, die meiner Bilder und Filme und von mir, und das bin ich. Da ist
nichts dahinter.“
– Andy Warhol: zitiert nach: Stefana Sabin: Andy Warhol. Rowohlt, Reinbek 1992, S. 84.
Werkbetrachtung
Techniken
Warhols
Bildwerke leben von einer experimentellen und lumineszenten Farbgebung (meist
mittels Acrylfarben), bei der er bewusst auf generativ bedingte Verfremdung
setzte und auch stoisch Fehler beim Kopieren von Vorlagen akzeptierte oder die
Herstellung der Siebdrucke seinen Mitarbeitern überließ. Viele Arbeiten stammen
jedoch vermutlich nicht einmal aus seiner Hand. Bei Galerie- oder
Museumsbesuchen soll er sich über Fälschungen seiner eigenen Werke amüsiert
haben. Seine Arbeit ist von Originalität, subtilem Humor aber auch Zynismus
geprägt; seien es seine Do-It-Yourself-Bilder zum Selbstausmalen,
Camouflagemuster, Umkehrungen oder die Bildreihe Electric Chair (elektrischer
Stuhl), von der er gesagt haben soll: „Ich fertige sie in jeder Farbe, solange
sie nur zu den Gardinen passen.“
Warhols Werk war stets geprägt
durch die serielle Reproduktion, bzw. Reproduzierbarkeit von Bildgegenständen,
Alltäglichem, Trivialem und Banalem. Stets von der Idee des „Kopierens“ und der
konsequenten Abfolge fasziniert (u. a. durch seine Filmleidenschaft), versuchte
Warhol zunächst, Bilder aus Kinomagazinen per Hand abzuzeichnen. In der Folge
machte er sich mit der Methode des indirekten Siebdrucks (Transferdruck)
vertraut und begann alltägliche, gegenwärtige und vertraute Motive aus Medien
(Zeitungen, Magazine) zu filtern und umzusetzen. Aus diesem Grunde wurde Warhol
oft mit dem Vorwurf des Plagiats bezichtigt. Er wählte bevorzugt grelle
Acrylfarben und starke Farbkontraste für seine Bilder (z. B. Marilyn, Elvis,
Liz). Ab den 1970ern suchte Warhol verstärkt nach neuen Techniken und
Ausdrucksformen (z. B. die Piss Paintings, mit Urin per Oxidation auf
Kupferfarbe „gemalte“ Bilder). In seinen späteren Arbeiten verwendete er u. a.
auch Diamantstaub in seinen Arbeiten (z. B. die Porträtserie von Joseph
Beuys).
Motive
Vorrangig sind seine Porträts bekannter
Persönlichkeiten (Marilyn Monroe, Elvis Presley, Liz Taylor, Mao und vielen
anderen mehr). Er interessierte sich indes auch für die Ästhetik der Ware und
der Konsumgesellschaft, wobei Konsum von ihm positiv gesehen wurde. Umstritten
ist, ob dies eine Variante der Überidentifikation darstellte, wie auch viele
seiner Statements. Er liebte die Künstlichkeit und raffinierte Kolportagen und
schaffte es (als gelernter Grafiker) geschickt, sich selbst als Image/Marke zu
erfinden und zu feiern. Sein Werk folgt dem beständigen Versuch, die Grenzen
zwischen Kunst und Kommerz, also kommerziell angewandter Kunst (Werbung, Design)
und bildender Kunst (Hochkultur) aufzuheben. Er vertrat das Ideal einer
Business-Kunst.
Im Jahr 1991 wurde das Andy Warhol Museum
für moderne Kunst in Medzilaborce, Slowakei, von Warhols Bruder John Warhola
(1925–2010)[13] dem slowakischen Kulturminister und der Warhol Foundation, New
York, gegründet. Es enthält mehrere Originale und persönliche Gegenstände, die
von der Warhol Foundation und seinen Verwandten gespendet worden waren. Der
Dokumentarfilm Absolut Warhola des polnischen Regisseurs Stanisław Mucha aus dem
Jahr 2001 widmet sich diesem Museum und der Gegend um Medzilaborce.
Ein weiteres Museum, The Andy Warhol Museum, eröffnete im Jahr 1994
seine Ausstellungsräume, verteilt über sieben Stockwerke, in Pittsburgh, seiner
Geburtsstadt. Die Sammlung umfasst 900 Gemälde, etwa 100 Skulpturen, fast 2000
Arbeiten auf Papier, mehr als 1000 Drucke, 4000 Fotografien sowie eine
umfangreiche Film- und Videosammlung und umfangreiche
Archivmaterialien.
Zu Warhols 85. Geburtstag im Jahr 2013
schaltete das Andy Warhol Museum einen Live-Videostream vom Grab des Künstlers.
Das Projekt trägt den Titel „Figment“ (dt. „Einbildung“, basierend auf einem
Ausspruch Warhols, er wolle keine Grabinschrift bekommen, sondern einfach nur
‚Figment‘, Einbildung, sein). Die Webcam soll ununterbrochen auf Sendung sein,
laut Museumsdirektor Eric Shiner „… ein fantastischer Weg, um Andy 24 Stunden
sieben Tage die Woche auf Sendung und in Verbindung mit unserem globalen
Publikum zu bringen.
Warhols Beitrag zur Etablierung der Pop-Art in der bildnerischen, darstellenden wie
kinematografischen Kunst in den 1960er Jahren ist bedeutend.
Der amerikanische Kunstkritiker Philip Ursprung bemerkte: „Warhols Werk wird als
eine maschinelle Persiflage auf die Konsumgesellschaft interpretiert, die
teilweise durchzogen ist von schwärmerischen und homoerotischen Anspielungen, so
z.B. die frühen Grafiken und späteren Filme. Andererseits wird seine
Selbstbezeichnung als „Business Artist“ durchaus kritisch rezipiert. Dem Bild
des autonomen Künstlers, der seine Aufträge selbst bestimmt, setzte er das Bild
eines Künstlers entgegen, der permanent zu Diensten steht". So porträtierte
er jeden, der bereit war, 25.000 Dollar zu zahlen.
Nach Dieter
Buchhart bleibt bis heute umstritten, ob in Warhols Werk die kapitalistische
Konsumwelt affirmativ oder ironisch-dekuvrierend dargestellt wird.[ „Während
die etablierte, modernistische Kritik (Clement Greenberg, Harold Rosenberg,
Herbert Read) die Pop Art als einen Teil der Kulturindustrie […] denunzierte,
feierte die neue, postmoderne Kunstkritik in Warhols Werken die Bejahung der
amerikanischen Konsumkultur und die Aufhebung der Grenzziehung zwischen
autonomer und trivialer Kunst. Eine dritte Position vertrat die gegenkulturelle
Bewegung der Beatniks und Studentenbewegung; sie wollte darin eine Kritik an der
amerikanischen Überflussgesellschaft und einen ironischen Umgang mit den Stars
des Schaugeschäfts sehen.“
Einfluss
Eine Devise
Warhols war: „Gute Geschäfte sind die beste Kunst“. Der Künstler als
kapitalistischer Unternehmer in eigener Sache inspirierte beispielsweise
Künstler wie Jeff Koons, Takashi Murakami, Damien Hirst, Richard Prince und
Keith Haring, die Warhols Strategien aufgriffen und
weiterentwickelten.
Lou Reed und John Cale, die früheren Mitglieder von The Velvet
Underground, widmeten Warhol 1990 das Hommage-Album Songs for Drella. Die 15
Stücke des Albums spiegeln Stationen in Warhols Leben sowie Aspekte seiner
Persönlichkeit und seines Schaffens wider.
David Bowie bewunderte
Warhol seit den 1960ern und bezeichnete ihn als eine seiner großen
Inspirationsquellen. 1971 schrieb er den Song Andy Warhol, der im selben Jahr
auf seinem Studioalbum Hunky Dory erschien; im September des Jahres besuchte er
Warhol in dessen Factory und spielte ihm dabei den Song vor. Laut Warhol-Biograf
Victor Bockris soll Warhol nicht besonders begeistert gewesen sein: „David Bowie
sagte der Song sei positiv gemeint. Doch Andy fand ihn gräßlich … Andy sieht wie
ein Schrei aus … natürlich gefiel ihm eine solche Zeile nicht, da er große
Komplexe wegen seines Aussehens hatte.“ 1996 verkörperte Bowie selbst Andy
Warhol in Julian Schnabels Biopic Basquiat.
Im März 2011 wurde The
Andy Monument – eine überlebensgroße verchromte Statue von Andy Warhol,
entworfen von dem Künstler Rob Pruitt – auf dem Union Square vor dem ehemaligen
Standort von Warhols Factory aufgestellt. Im Herbst 2012 wurde es zum
Contemporary Arts Museum Houston in Texas gebracht, wo es nach der Enthüllung am
20. Oktober sechs Monate bleiben wird.
Ausstellungen
Andy Warhol war Teilnehmer der 4. documenta in Kassel im Jahr 1968 (mit Ten Marilyns, erstmals in Europa gezeigt),
auf der Documenta 6 (1977) und der Documenta 7 im Jahr 1982 als Künstler
vertreten. Eine größere Auswahl von Einzel- und Gruppenausstellungen findet sich
unter dem Weblink „Kunstaspekte“.
50 Jahre nach den Campbell’s Soup
Cans (geschaffen 1962) eröffnete eine Ausstellung Ende 2012 mit dem Titel
Regarding Warhol: „Fifty Years, Sixty Artists im Metropolitan Museum of Art in
New York, die Warhols Einfluss auf Künstlerkollegen zeigen sollte. Sie enthielt
100 Arbeiten von 59 Künstlern sowie etwa 50 Werke Warhols, darunter neben den
Suppendosen die berühmten Brillo-Boxen, Porträts von Elvis und Elizabeth Taylor.
Die Ausstellung wurde von der Presse wegen mangelnder Originalität
kritisiert.
Eine große Andy-Warhol-Ausstellung 2013 in
Südostasien erreichte auch Shanghai, China, und musste der chinesischen Zensur
unterzogen werden. Sie zeigt eine kuratierte Werkschau, allerdings ohne Mao
Zedong-Bilder. Die chinesische Regierung ließ die bekannte Porträt-Serie des
früheren Vorsitzenden der Kommunistischen Partei Chinas Mao Zedong entfernen.
Die Mao-Porträt-Serie zeigt Mao, neben Marilyn Monroe und den
Campbell-Suppendosen, als Ware, Ikone oder Marke.
Die besten Sprüche des Andy Warhol
Everyone will be famous for 15 minutes.
I like boring things.
I love Los Angeles. I love Hollywood. They’re beautiful. Everybody’s plastic, but I love plastic. I want to be plastic.
I had a lot of dates but I decided to stay home and dye my eyebrows.
An artist is somebody who produces things that people don’t need to have.
I never think that people die. They just go to department stores.
I never understood why when you died, you didn’t just vanish, everything could just keep going on the way it was only you
just wouldn’t be there. I always thought I’d like my own tombstone to be blank. No epitaph, and no name. Well, actually, I’d like it to say ‘figment.’
I suppose I have a really loose interpretation of “work,” because I think that just being alive is so much work at something you
don’t always want to do. The machinery is always going. Even when you sleep.
Before I was shot, I always thought that I was more half-there than all-there – I always suspected that I was watching TV instead of
living life. Right when I was being shot and ever since, I knew that I was watching television.
Being born is like being kidnapped. And then sold into slavery.
Being good in business is the most fascinating kind of art. Making money is art and working is art and good business is the best art.
Don’t pay any attention to what they write about you. Just measure it in inches.
During the 1960s, I think, people forgot what emotions were supposed to be. And I don’t think they’ve ever remembered.
Dying is the most embarrassing thing that can ever happen to you, because someone’s got to take care of all your details.
Employees make the best dates. You don’t have to pick them up and they’re always tax-deductible.
Fantasy love is much better than reality love. Never doing it is very exciting. The most exciting attractions are between two opposites that never meet.
I always thought I’d like my own tombstone to be blank. No epitaph, and no name. Well, actually, I’d like it to say “figment.”
I always wished I had died, and I still wish that, because I could have gotten the whole thing over with.
I am a deeply superficial person.I have Social Disease. I have to go out every night. If I stay home one night I start spreading rumors to my dogs.
Everyone will be famous for 15 minutes.
I like boring things.
I love Los Angeles. I love Hollywood. They’re beautiful. Everybody’s plastic, but I love plastic. I want to be plastic.
I had a lot of dates but I decided to stay home and dye my eyebrows.
An artist is somebody who produces things that people don’t need to have.
I never think that people die. They just go to department stores.
I never understood why when you died, you didn’t just vanish, everything could just keep going on the way it was only you
just wouldn’t be there. I always thought I’d like my own tombstone to be blank. No epitaph, and no name. Well, actually, I’d like it to say ‘figment.’
I suppose I have a really loose interpretation of “work,” because I think that just being alive is so much work at something you
don’t always want to do. The machinery is always going. Even when you sleep.
Before I was shot, I always thought that I was more half-there than all-there – I always suspected that I was watching TV instead of
living life. Right when I was being shot and ever since, I knew that I was watching television.
Being born is like being kidnapped. And then sold into slavery.
Being good in business is the most fascinating kind of art. Making money is art and working is art and good business is the best art.
Don’t pay any attention to what they write about you. Just measure it in inches.
During the 1960s, I think, people forgot what emotions were supposed to be. And I don’t think they’ve ever remembered.
Dying is the most embarrassing thing that can ever happen to you, because someone’s got to take care of all your details.
Employees make the best dates. You don’t have to pick them up and they’re always tax-deductible.
Fantasy love is much better than reality love. Never doing it is very exciting. The most exciting attractions are between two opposites that never meet.
I always thought I’d like my own tombstone to be blank. No epitaph, and no name. Well, actually, I’d like it to say “figment.”
I always wished I had died, and I still wish that, because I could have gotten the whole thing over with.
I am a deeply superficial person.I have Social Disease. I have to go out every night. If I stay home one night I start spreading rumors to my dogs.